VON NUN AN ANDERS

Spitzenteam im Einvernehmen mit Teamgeist? Diskussionspapier von Dr. Olaf Specht

23.06.24 –

VON NUN AN ANDERS

 

Spitzenteam im Einvernehmen mit Teamgeist?

Wird gute Führung erkennbar im Gespräch des Vizekanzlers mit dem Oppositionsführer

am 6.6.24 bei Maybrit Illner?

Voraussetzung guter Führung

In seinem Buch „Von hier an anders“ schreibt Robert Habeck 2012: „Im Denken von Hannah Arend steht mit „Einvernehmen“ ein Begriff bereit, der für mich eine zeitgemäße Haltung bei der Ausübung von politischer Macht zusammenfasst. Er ist ein Wegweiser für die richtige, respektvolle Haltung und Kommunikation.“ (S.344) Und Habeck schließt mit den Worten, es habe sich gezeigt, dass eine Gesellschaft auf ein Minimum an gemeinsamen Werten angewiesen sei, - und dass sie Vertrauen in die unabhängigen rechtsstaatlichen Institutionen brauche (S.363). Dem sind zwei Erkenntnisse hinzuzufügen:

  1. Die Gesellschaft muss ihre Probleme verstehen, um sie zu lösen.

  2. Gute Lösung wesentlicher gesellschaftlicher und technischer Aufgaben in Zeiten großer Gefahr erfordert vorbildlich geführte Führungsteams kurz Spitzenteams.

Diese erkennt man daran, dass jedes Teammitglied das beiträgt, was sie oder er am besten kann, notwendig beflügelt von einem absolut loyalen Teamgeist, in dem jede und jeder Verantwortung für das Gelingen des Ganzen und der Teile trägt und dafür mit großer Achtsamkeit und Professionalität zum Erfolg jedes anderen Teammitgliedes beiträgt. - „Wenn große Gefahren den Staat bedrohen, sieht man das Volk oft mit gutem Glück die Bürger wählen, die es am ehesten retten können. (A. de Tocqueville, Die Demokratie in Amerika, FfM 1956 S.69). Weil obige Zusammenfassung relevant ist, verdienen folgende Aspekte die

 

Aufmerksamkeit unserer Regierung und der Bürgerinnen und Bürger

  1. Der Vizekanzler hat kürzlich und bei Frau Illner zu Recht darauf hingewiesen, dass die aktuellen Probleme der deutschen Wirtschaft im Wesentlichen eine Folge der Politik der konservativ geführten großen Koalition sind, die durch die Coronapandemie und den Ukrainekrieg verschärft wurden. – Ich ergänze: Deutschlands hohe Exportabhängigkeit erschwert unsere Lage zusätzlich.

  2. Der von Herrn Schäuble formulierte Respekt für das Engagement der Grünen ist hilfreich gegen die übliche Verhöhnung der Grünen als „Verbotspartei“ durch bayerische und liberale Spitzenpolitiker. Dieser unloyale Dauerwahlkampf widerspricht notwendigem Teamgeist und sollte nicht unwidersprochen bleiben.

  3. Es wäre die Pflicht dieser Kritiker des Vizekanzlers gewesen, ihrer Verantwortung als Regierungsmitglieder zu entsprechen und von Anfang an das Heizungsgesetz und die EU-Lieferkettenverordnung mitzugestalten, anstatt spät im Gesetzgebungsprozess dagegen zu opponieren. Solche Praktiken vernichten Vertrauen durch Verschleppung von Lösungen. Das sind Merkmale von Missmanagement. Dem ist mit professioneller Härte zu begegnen. Dazu gehört Folgendes:

  4. Die von den Vorgängerregierungen geerbten Krisen und Versäumnisse, insbesondere die aktuelle Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft, erfordern eine strategische Neuorientierung, welche Sektoren wachsen sollen und welche nicht, angesichts des Klimawandels und globaler Machtverschiebungen. (vgl. Hessel u.Morin, Wege der Hoffnung, Berlin 2012, S.13 f.)

  5. Es gibt nicht „den Markt“ sondern viele verschiedene Marktformen. Wenn wie in der Landwirtschaft viele Familienbetriebe, also kleine Anbieter auf wenige große Nachfrager treffen (z.B. Rewe, Aldi und Exporte nach China)

und wenn EU-Agrarsubventionen vorwiegend nach Fläche bevorzugt an große Unter-nehmen gezahlt werden, dann kommen kleinere Familienbetriebe im Preissenkungswettbewerb der Oligopole systembedingt in wachsende Schwierigkeiten. Solches Marktversagen erfordert ordnungspolitische Justierung, um drohendes Unheil abzuwenden. -2-

  1. Die Diskussion über eine Reform der Schuldenbremse bedarf folgender Klarstellung:

a)Eine Begrenzung staatlicher Schuldenaufnahme ist dann berechtigt, wenn die Tilgungen und Zinszahlungen einen zu großen Anteil der Staatseinnahmen beanspruchen und die Erfüllung anderer Staatsausgaben beeinträchtigen. Dafür gibt es keine allgemeingültige Zahl. Wichtig ist, erfolgreiche Zukunftsinvestitionen nicht zu behindern. Dafür gilt:

b)Man muss im Wesentlichen zwei Arten von Investitionen unterscheiden:

erstens staatliche Investitionen in Infrastruktur, die nicht direkt Finanzrückflüsse erzeugen, z.B. in Straßen und Brücken, und

zweitens vorwiegend private aber auch staatliche Investitionen, die direkt einen Finanzrückfluss erzeugen, z.B. Krankenhäuser, Eisenbahnen oder Produktion von Erzeugnissen zum Verkauf. Diese Investitionen werden in der Regel getätigt, um in angemessener Nutzungsdauer von zehn bis zwanzig Jahren einen Überschuss über das eingesetzte Kapital, den sogenannten Kapitalwert, zu erwirtschaften.

  1. Investitionen, deren Wirtschaftlichkeitsrechnung sowohl bei optimistischen als auch bei pessimistischen Annahmen über die zukünftigen Ausgaben und Einnahmen einen positiven Kapitalwert ergibt, liefern einen Gewinn für zukünftige Generationen. Kredite für solche Investitionen müssen unabhängig von einer Schuldenbremse gewährt werden. Sie durch eine willkürlich gesetzte Schuldenbremse zu unterbinden wäre unklug und zeugt von „Halbwissen“.

Da Deutschland durch einen gravierenden Investitionsstau die Krisenprävention und den Wohlstand zukünftiger Generationen gefährdet, muss die Schuldenbremse so reformiert werden, dass Zukunftsinvestitionen nicht behindert werden.

 

Die Medien sind, wie Lotsen, mitverantwortlich für gute Navigation in schwierigem Revier.

Die großen Aufgaben der Politik, wie Klimaschutz und Energiewende, Migrationsursachen, Entwicklungszusammenarbeit, Demographie und Rentenreform sowie Krieg als Bedrohung von Freiheit und Frieden und die Maßnahmen zu deren Lösung müssen in der Demokratie von den gewählten Politikern kompetent und verständlich erklärt werden, damit verständige Bürgerinnen und Bürger gute Lösungsvorschläge erkennen und unterstützen können. – Dazu gehört auch die Fähigkeit unnütze Fragen nachzujustieren, um lösungsorientierte Antworten geben zu können. Horst Ehmke (SPD) erreichte das dadurch, dass er seiner Antwort den Satz voranstellte: „Die Frage müsste besser lauten ….“. In ähnlicher Weise hätte das Thema Klimaschutz nicht aus dem öffentlichen Diskurs verschwinden dürfen, sondern hätte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und das Gutachten des Wuppertal-Instituts eine Steilvorlage geboten mit dem Ergebnis, dass die Klimaschutzziele der Bundesregierung (insbesondere der Sektoren Verkehr und Gebäude) insgesamt um den Faktor 2,5 gesteigert werden müssen, um die Pflichten aus dem Pariser Abkommen nicht krachend zu verfehlen. - Auch dafür halte ich Ausnahmen von der Schuldenbremse für notwendig und fordere, wie die deutsch-französische „Gruppe der Zwölf“ Expertinnen und Experten im September 2023, für schnelle Reaktion auf neue Krisen eine Aufstockung des EU-Haushalts durch qualifizierte Mehrheitsbeschlüsse. (Ende)

 

Dr. rer. pol. Olaf Specht

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