100% CO2-frei: Umsetzung entscheidet sich nicht nur am Klimaargument

27.01.20 –

„100% CO2-frei – kann die Gesellschaft das erreichen?“, so lautete das Thema am Mittwochabend (22.01.2020) im Rahmen der vierteiligen Veranstaltungsreihe „Klimawandel – Klimakrise – Klimapolitik“ der Grünen. Dazu hatte der Ort- und Kreisverband der Stader Grünen die Professorin Dr. Anita Engels in die Seminarturnhalle eingeladen. Dr. Engels, die an der Universität Hamburg als Professorin für Soziologie, insbesondere Globalisierung, Umwelt und Gesellschaft lehrt, beantwortete diese Frage zum Ende der mit über 150 Gästen besuchten Seminarturnhalle mit einem Ja. Zugleich stellte sie die Frage, ob das plausibel sei und lieferte das "Ja, aber" mit „So schnell nicht“. Zur Umsetzung der Pariser Klimaziele müsse sich die globale Gesellschaft in wenigen Jahrzehnten zu einer CO2-Netto-Null-Gesellschaft wandeln und dazu sei eine große Transformation notwendig, eine große Herausforderung, betonte die Wissenschaftlerin.

Für diese Herausforderungen, so Dr. Engels, seien umfassende CO2-freie Lösungen auszuarbeiten, die das Verhalten und Handeln von jedem Einzelnen, von Gruppen und Gemeinschaften und von der Wirtschaft festlege. Ebenso müssten CO2-intensive Bereiche zurückgefahren werden.  „Dazu sind grundlegende Fragen zu beantworten: wie konsumieren wir, welche Formen der Mobilität nutzen wir, wie werden Güter und Dienstleistungen produziert und wodurch werden die höchsten Profite erwirtschaftet?“, zählte die Soziologin Dr. Engels auf.

Die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Veränderungen sieht die Wissenschaftlerin bisher stärker in den soziale Bewegungen und der Fridays for Future Bewegung. Diese hätten das Thema Klimawandel auf die Agenda gesetzt und nun sind Investitionen in fossile Energien sowie CO2-intensive Lebensstile Gegenstand der Diskussion. Es sei allerdings eine inflationäre Zielerklärung von Politik und Wirtschaft zu beobachten. „Ob die Zielerklärungen auch eingehalten werden, muss mit Nachdruck beobachtet werden“, meinte Engels.

Engels ist sich sicher, dass sich die Umsetzung nicht nur am Klimaargument entscheide, sondern vielmehr an den Entwicklungen eines breiteren Kulturkampfes.
Sie beobachte, dass zunehmend auch die Finanzmärkte die Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt ihrer Investitionen stellen und sich aus der fossilen Energieversorgung zurückziehen und verwies auf Black Rock, dem großen Player auf den Finanzmärkten. „Die Finanzmärkte werden ein wichtiger Akteur, der mit den Sozialen Bewegungen verknüpft werden muss“. Die Soziologin und Klimaforscherin Engels weiter: „Ebenso ist die Förderung ein wichtiger Baustein. Impulse kommen von einer selbsttragenden gesellschaftlichen Dynamik. Das haben wir bei den Erneuerbaren Energiengesetz gesehen“. Dazu zählte Engels die Stärkung neuer Geschäftsmodelle und Klimaschutzpioniere, die Vereinfachung von Genossenschaften für Bürgerenergie, die Einbindung der Kultur- / Kunstszene sowie Klimadividende und Klimaprämie als finanzielle Bausteine auf.

Kann Deutschland das Klima retten? Soll Deutschland Vorreiter sein? Dazu verglich die Sozialforscherin während ihres Vortages Deutschland und China als Modell. Sie sah ein Land mit wirtschaftlichem Wohlstand, einem hohen technologischen Niveau, einem Wohlfahrtsstaat mit parlamentarischer Demokratie und einer offenen Gesellschaft wie Deutschland besser geeignet als das autoritär regierte China.

Zum Ende des Abends zog die Professorin Anita Engels ihr Fazit: „Der soziale Druck von Fridays for Future und anderen war sehr hilfreich und muss unbedingt aufrecht erhalten werden, damit es nicht bei Absichtserklärungen der Politik bleibt, sondern damit zügig konkrete Maßnahmen ergriffen werden, um das 1,5°-Ziel zu erreichen. Deutschland gilt international als Land auf hohem technischen Niveau. Insofern könnte Deutschland ein wichtiger Testfall sein und eine Vorreiterrolle einnehmen, die unsere Wirtschaft deutlich stärken würde. Am Ende müssen wir alle unser Verhalten ändern. Ohne entsprechende politische Rahmenbedingungen führt der Versuch Einzelner jedoch zu einer Überforderung. Da sich die Politik zurzeit im Wesentlichen mit Zielsetzungen zufrieden gibt, anstatt zu handeln, gab sich die Referentin eher pessimistisch".

Der Vortrag war die zweite Veranstaltung der vierteiligen Reihe „Klimawandel – Klimakrise – Klimapolitik. Im Oktober startete die Reihe mit dem Polar- und Klimaforscher Prof. Dr. Peter Lemke, der bis zu seiner Pensionierung 2014 Leiter des Fachbereichs Klimawissenschaften am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven war und über 30 Jahre in internationalen Gremien im Bereich der Klima- und Polarforschung mitarbeitete und an den Berichten des Weltklimarats (IPCC) mitgewirkte. Im April geht es weiter mit Dr. Anton Hofreiter, dem Vorsitzenden der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, zum Thema Klimakrise und Artensterben.

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2020 | Demokratie & Recht | Klimaschutz

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