Das Bürgerpanel als Mittel der Bürgerbeteiligung

19.12.13 –

„Politikverdrossenheit, St. Florians-prinzip, Wutbürger, Protestkultur, Besitzstandswahrung, Anspruchsmentalität – diese Schlagworte kennzeichnen die aktuelle Debatte um die Rolle der Bürgerinnen und Bürger in unserer Gesellschaft“, sagte Dr. Barbara Zurek, Fraktionsvorsitzende der Grünen Ratsfraktion, auf der Ratssitzung. Sie möchte eine Bürgerbeteiligung für die Hansestadt Stade und dazu soll es ein Bürgerbeteiligungsverfahren geben.

Die gesamte Rede finden Sie hier:

Das Bürgerpanel

Politikverdrossenheit, St. Florians-prinzip, Wutbürger, Protestkultur, Besitzstandswahrung, Anspruchsmentalität – diese Schlagworte kennzeichnen die aktuelle Debatte um die Rolle der Bürgerinnen und Bürger in unserer Gesellschaft. Auch wir in Stade machen inzwischen die Erfahrung, dass allein die Tatsache, dass ein Beschluss demokratisch zustande gekommen ist, oft nicht mehr ausreicht, um Akzeptanz bei den Betroffenen zu erreichen. Dies zeigte sich sowohl bei bundesdeutschen Großprojekten wie „Stuttgart 21“, wie auch bei vergleichsweise kleineren Projekten hier bei uns vor Ort, hier bei uns in Stade. Auch heute, in dieser Ratssitzung, wird von solchen Projekten die Rede sein.

Wie also auf diese Beobachtungen reagieren? Nichts zu tun, entspricht nicht meinem Politikverständnis von mir als Grüne, aber, so glaube ich, auch nicht dem Politikverständnis von uns allen. Also was tun? Mal dem öffentlichen Druck nachgeben, mal nicht nachgeben? Kann auch nicht Sinn der Sache sein.

Bürgerbeteiligungsverfahren sollen ja bekanntermaßen (vor diesem Hintergrund) einen möglichen Lösungsweg anbieten. Eine effektive Bürgerbeteiligung führt langfristig zu mehr Zufriedenheit der Bürger mit den kommunalen Dienstleistungen und den Planungsprojekten, wenn diese transparent durchgeführt werden und die Bürgerinnen und Bürger wertschätzend in den Entscheidungsprozess einbezogen werden, das wissen wir alle. Ich möchte noch einmal betonen, dass es hierbei um die Einbeziehung in den Weg geht, wie eine Entscheidung getroffen wird, nicht um die Entscheidung selber. Der Rat ist und bleibt Entscheidungsträger. Aber – durch die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger kann unsere eigene Wissensbasis als Entscheidungsträger erweitert werden, wir erhalten wichtige Informationen über die Wünschbarkeit, Realisierbarkeit und die zu erwartenden Folgen unserer Entscheidungen. Der Bürger als Experte in eigener Sache wird zu unserem Berater.

Aktive Bürgerbeteiligung setzt zweierlei voraus: Legitimation durch ein Verfahren und einen offenen Dialog. Die teilnehmenden Personen müssen nach fairen Gesichtspunkten ausgewählt sein und gleiche Rechte und Pflichten beanspruchen können.

In der Hansestadt Stade gab es schon im Rahmen der Agenda 21-Projekte und Arbeitskreise, bei der Leitbildentwicklung sowie aktuell bei der Erstellung des Klimaschutzkonzeptes breit angelegte Beteiligungsverfahren. Aber wir mussten selbstkritisch feststellen, dass diese Verfahren meist nur eine sehr kleine Teilnehmerzahl, dafür aber im Vergleich mit dieser TN-zahl vergleichsweise hohe Kosten aufwiesen.
Bürgerinnen und Bürger ließen sich bisher nur punktuell (vor allem bei persönlicher Betroffenheit: das ist nicht negativ gemeint, sondern der erste und auch wichtigste Grund, sich zu engagieren!) aktivieren bzw. es nahmen an diesen Prozessen Bürgerinnen und Bürger teil, die bereits hoch engagiert sind und sich aktiv an Meinungsbildungsprozessen beteiligen. Ein wirklich repräsentatives Meinungsbild zu erhalten, fiel aber so schwer.

Wir Grüne halten es für notwendig, aktiv hier nach anderen, zufriedenstellenderen Formen sowohl für uns als Politik, für die Verwaltung, aber auch für die Bürgerinnen und Bürger zu suchen, um zum einen dem allgemeinen Frust entgegenzuwirken – dem Frust von Politik, dem Frust von Verwaltung, aber auch dem Frust von den Bürgerinnen und Bürgern. Zum anderen ist das Endziel dieses Prozesses aus unserer Sicht die wirklich bürgerorientierte Kommune  Stade (und nicht nur die bürgerfreundliche Kommune Stade, dies ist auch ein Ziel, aber ein leicht anderes Ziel).

Auf der Suche sind wir zusammen mit der SPD auf das Instrument des Bürgerpanels gestoßen, (das in vielen Städten Deutschlands bereits erfolgreich eingesetzt wird.) Das Bürgerpanel als regelmäßig stattfindende Bürgerbefragung vereint mehrere wichtige Kriterien:
1. durch die Einbeziehung soziodemografischer Faktoren ist eine Repräsentativität gegeben
2. es bietet die Möglichkeit, auch bisher passive Bevölkerungsteile einzubinden
3. es besitzt eine relativ kostengünstige Struktur im Vgl zu der Zahl der Berfragten
4. die Flexibilität in der Fragenstellung ergibt eine breite Anwendbarkeit

und 5.: mit der PFH vor Ort haben wir einen Kooperationspartner, der uns auf diesem neuen Weg fachlich gut begleiten kann

Eine Idee für ein erste Panelbefragung haben wir auch schon: Mobilität. Die Datenerhebung für das Klimaschutzkonzept zeigte exemplarisch, dass der komplexe Bereich Mobilität nicht durch ein paar einfache Daten abgebildet werden kann. Wir haben zwar Daten zur Fahrzeugdichte in unserer Stadt und ein paar Verkehrszählungen, aber – bis auf Hahle – keine Daten zum modal split unserer Mitbürger (also wer benutzt wann wohin welches Verkehrsmittel). Wir haben auch keine Daten zu den Vorstellungen und Wünschen unserer Mitbürger, wo die Mobilität in und um Stade schon gut ist und wo sie (und in welche Richtung) sie zukünftig verändert werden kann und sollte. Das Mobilitätsverhalten ist als ein sehr komplexes und vor allem auch individuelles System von Alter, Wohnort, Lebenssituation und auch von Wertevorstellungen abhängig. Insofern ist hier eine Ausweitung der Datenbasis nur über umfangreiche und spezifische Befragungen erreichbar – also prädestiniert für eine erste Anwendung des Bürgerpanels.

Wir von Fraktion Bündnis/Die Grünen wünschen uns sehr den Erfolg des Bürgerpanels. Er wird sich sicherlich nicht unbedingt sofort einstellen, unerlässlich für einen nachhaltigen Erfolg ist das Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen in dieses Instrument, das sich aber erst noch aufbauen muss. Dies kann nur über viel Werbung, Transparenz in den Fragen und Zielen, über die Ernsthaftigkeit in der Einbeziehung und in einer offenen Darstellung der Ergebnisse und vor allem des Umgangs mit den Ergebnissen aus den Befragungen erreicht werden. Halbherzig betriebene Mitwirkungsverfahren bergen ein großes Risiko für Enttäuschungen und öffentliche Kritik. Das will keiner. Arbeiten wir alle daran!

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2013 | Fraktion

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